Widerstand gegen den Nationalsozialismus erfüllte im sogenannten „Dritten Reich“ den Tatbestand des „Hochverrats“ oder „Landesverrats“
Vorbereitung zum Hochverrat im Nationalsozialismus bedeutete: Einer Person wurde vorgeworfen, einen gewaltsamen Umsturz vorzubereiten. Dafür wurde die Todesstrafe verhängt. Wer des Landesverrates beschuldigt wurde, der stand unter Verdacht, den eigenen Staat in seiner Sicherheit gegen ausländische Staaten zu schwächen oder zu gefährden. Dieser Vorwurf war ein Mittel des NS-Regimes, um die von ihm ausgemachten politischen Gegner, dazu zählten vorrangig Sozialdemokraten und Kommunisten, zu verfolgen und auszuschalten. Sie wurden mit dem diesem Vorwurf markiert, vor Gericht gestellt und in ein Gefängnis oder Konzentrationslager überführt oder hingerichtet. Die Beschäftigung mit den Thema „Hoch- und Landesverrat“ bildet daher das Verhältnis von Widerstand und Verfolgung im Nationalsozialismus ab.
Die Situation im damaligen Saargebiet (1920-1935) schuf die Voraussetzung dafür, dass viele Männer aus dem Saargebiet dieser Anklage ausgesetzt waren. Das Saargebiet entstand in Folge des Vertrags von Versailles. Darin regelten die Artikel 45 bis 50 sowie die anliegenden 40 Paragraphen die Verfasstheit des Landes. Das Saargebiet stand seit 1920 unter der Verwaltung einer vom Völkerbund eingesetzten Regierungskommission. Doch daran war eine Frist geknüpft. Derart, dass nach 15 Jahren die Bevölkerung des Saargebietes darüber abgestimmt werden sollte, ob diese staatliche Konstruktion beibehalten werden sollte. Quer durch das politische Spektrum stand in den 1920ern mehrheitlich fest, dass dann das Saargebiet zu Deutschland zurückkehren sollte. Doch nach dem 30. Januar 1933, dem Tag der Machtübergabe an die Nationalsozialisten in Deutschland veränderte sich diese Haltung grundlegend. Vor allem Vertreter:innen der Sozialdemokraten, der Gewerkschaften, der Kommunisten und Liberalen wie auch der katholischen Kirche, die nun von den Nationalsozialisten als Gegner ausgemacht wurden, setzten sich gegen die Rückgliederung des Saargebietes an Deutschland und damit an das NS-Regime zur Wehr.Unter den Einheimischen hatte sich Widerstand formiert und sich mit dem derer verbunden, die nach dem 30. Januar 1933 vor politischer Verfolgung durch die Nationalsozialisten aus Deutschland in das noch freie Saargebiet geflohen waren. Dazu zählten ehemalige Minister der Weimarer Republik, hohe Verwaltungsbeamte, Reichstagsabgeordnete, Gewerkschafts- und Parteifunktionär:innen aus dem linken und liberalen Spektrum.

Titel des Bandes „Das zersplitterte Nein“ von Klaus-Michael Mallmann und Gerhard Paul
Hoch- und Landesverrat und die Bedeutung des 13. Januar 1935
Der Anklage wegen Hoch- und Landesverrates sahen sich daher vor allem Saarländer ausgesetzt, die 1935 aufgrund der in Folge der Saar-Abstimmung vom 13. Januar 1935 allein oder mit ihren Familien nach Frankreich geflohen haben. Es waren werktätige Männer, vor allem mittleren Alters, die als Mitglieder der SPD, der KPD oder der Gewerkschaften sich im Vorfeld des Abstimmungstermins für den Erhalt des Status quo im damaligen Saargebiet engagiert hatten.
Für „Status quo“ einzustehen, hieß, sich am 13. Januar 1935 dafür zu entscheiden, dass das Saargebiet weiterhin unter der Verwaltung des Völkerbundes blieb. Diese Möglichkeit war im Vertrag von Versailles gegeben. Frankreich als einer der Siegermächte des Ersten Weltkrieges hatte, um entsprechende Reparationsleistungen von Deutschland zu erhalten, ein Territorium abgesteckt, das die Standorte von Kohlegruben, Stahlwerken und der dazugehörigen Arbeitersiedlungen umschloss. Die so entstandenen 2.000 Quadratkilometer Fläche trugen fortan die Bezeichnung „Saargebiet“. Die politische Verwaltung des Landes oblag einer international besetzten Regierungskommission, die der Völkerbund mit Sitz in Genf einberufen hatte. Die Gruben- und Hüttenwerke standen seitdem unter französischer Verwaltung. Quer durch alle Parteien und Gruppierungen im Saargebiet der 1920er Jahr herrschte die Übereinkunft, dass man zu Deutschland gehörte. Dies wollte man mit der 15 Jahre nach Verabschiedung des Versailler Vertrags angesetzten Abstimmung auch bekunden. Jedoch änderte sich dies mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland am 30. Januar 1933.
Nach dem Abstimmungskampf nach Frankreich und von dort nach Spanien
Mehrere hundert politisch Verfolgte, darunter waren Mitglieder der Gewerkschaften, der SPD und der KPD, Journalistinnen und Journalisten, darunter viele Funktionär:innen und Mitglieder des aufgelösten Reichstags kamen in das noch freie Saargebiet, um dort den Widerstand gegen Hitler zu organisieren. Dazu bildeten sie mit den Mitgliedern von Gewerkschaften, der SPD und KPD an der Saar die „Einheitsfront“ oder „Freiheitsfront“ nach dem im Juni 1934 das Datum der Abstimmung auf den 13. Januar 1935 festgelegt worden war. Zwar war die NSDAP an der Saar verboten, aber die Partei unterstützte von außerhalb massiv die Bildung der sogenannten „Deutschen Front“. Es fanden Kundgebungen beider Gruppierungen statt. Es kam zu gewalttätigen Zusammenstößen. Ein Klima von Angst und Terror begleitete die Monate vor der Abstimmung. Am 13. Januar 1935 entschieden sich 90 Prozent der Abstimmungsberechtigten des Saargebietes für die Rückgliederung an Deutschland und damit den Anschluss an das NS-Regime.

Drei Optionen standen am 13. Januar 1935 für die rund 800.000 Abstimmungsberechtigten im Saargebiet zur Wahl.
Diejenigen, die das hatten verhindern wollen, waren nun der politischen Verfolgung durch die Nationalsozialisten ausgesetzt. Daher flohen viele nach Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses am 15. Januar oder wenige Tage später allein oder mit ihren Familien ins nahe Frankreich.

Die Befürworter des Status quo für das Saargebiet flohen nach Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses am 15. Januar 1935 über den Bahnhof Sarreguemines nach Frankreich. Foto: Saarländisches Landesarchiv
Nach Wochen oder Monaten in einem Auffanglager, zuerst in Forbach und Straßburg wurden die Geflüchteten nach Südfrankreich gebracht. Auch dort mussten sie über Wochen und Monate in eigens eingerichteten Lagern bleiben, bevor die Lager aufgelöst und sie entlassen wurden. Einige, vor allem Männer, die ohne ihre Familien nach Frankreich geflohen waren, kehrten, ungeachtet der sie dort erwartenden Konsequenzen, in das Saarland zurück, um ihre, in Not geratenen Familien zu unterstützen. Andere folgten dem Aufruf aus dem republikanischen Spanien und schlossen sich den Internationalen Brigaden im Kampf gegen die Putschisten um General Franco an.

Saarländer als Freiwillige im Spanischen Bürgerkrieg
Der Geschichtswissenschaftler Max Hewer hat diese Gruppe in seiner Publikation „Von der Saar zum Ebro. Saarländer als Freiwillige im Spanischen Bürgerkrieg 1936-1939″ aus dem Jahr 2016 untersucht.
Ankommen und Arbeiten im Exil auf Widerruf
Ein Großteil der Exilanten fanden in ihren vormaligen Berufen als Bergmänner oder Handwerker Arbeit in Kohlegruben und Stahlwerken im Süden Frankreichs. Viele von ihnen konnten beruflich Fuß fassen und für sich und ihre mit ins Exil getriebenen Familien ein Auskommen finden. Der Kriegsbeginn brachte eine erneute Inhaftierung mit sich. Obschon diese Männer als vom Nationalsozialismus ausgemachte politische Gegner aus Deutschland geflohen waren, galten sie dennoch als „Feindliche Ausländer“. Das genügte, um sie in Lagern zu internieren. Sie entkamen den Lagern, in dem sie den Groupement Travailleurs Étrangers (GTE) oder auch der Compagnie Travailleurs Étrangers (CTE), in mit Ausländern besetzten Arbeitskommandos eingegliedert wurden. Diese Maßnahme wurde damit gerechtfertigt, dass dies als Gegenleistung für das den Männern in Frankreich gewährte Asyl betrachtet wurde. Ungeachtet, dass die Männer zuvor ihre Arbeitskraft Frankreich bereitwillig zur Verfügung gestellt hatten. Diese in einer Gruppenstärke von 250 Mann besetzten Gruppen waren als unbewaffnete Verbände der französischen Armee angegliedert. Entsprechend niedrig war nun der Sold pro Tag, während sie zuvor einen regulären Lohn für ihre Arbeit erhalten hatten. Zudem bestand die Möglichkeit, diesen Arbeitskommandos durch Eintritt in die Armee oder in die Fremdenlegion zu entgehen. Die mittlerweile im jugendlichen Alter befindlichen Söhne der im französischen Exil lebenden Familien aus dem Saarland wurden gemustert. Einige davon traten ihren Dienst in der französischen Armee an.
Nach Besetzung der vormals „Freien Zone“ im Süden Frankreichs am 11. November 1942 durch das NS-Regime erfolgten im Lauf des Jahres 1943 Verhaftungen durch die Gestapo. Die davon betroffenen Saarländer kamen über Marseille, Paris nach Deutschland zurück. Bei vielen war die erste Station das Land, der Ort, aus dem sie 1935 geflohen waren: das Saarland, genauer, das Gestapo-Lager Neue Bremm in Saarbrücken.
Literatur
- Gerhard Paul: Das nationalsozialistische Herrschaftssystem im Saarland. In: Zehn statt tausend Jahre. Die Zeit des Nationalsozialismus an der Saar 1935-1945. Katalog zur Ausstellung des Regionalgeschichtlichen Museums Saar im Saarbrücker Schloss. Hg. Stadtverband Saarbrücken. Saarbrücken 1988. S. 37-48.
- Gerhard Paul/Klaus-Michael Mallmann: Herrschaft und Alltag. Ein Industrierevier im Dritten Reich. Unter Mitarbeit von Hans-Henning Krämer. Widerstand und Verweigerung im Saarland 1935-1945. Herausgegeben von Hans-Walter Herrmann. Band 2. Bonn 1991.
- Max Hewer: Von der Saar zum Ebro. Saarländer als Freiwillige im Spanischen Bürgerkrieg 1936-1939. Saarbrücken 2016.